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Rechte

Freiheit der Meinungsäußerung

B.2

Sind Einschränkungen der Meinungsfreiheit eng definiert, transparent, und werden sie in Übereinstimmung mit internationalen Vereinbarungen, Gesetzen und Normen umgesetzt?

Indikator 24: Rechtliche Einschränkungen der Meinungsfreiheit, die mit internationalen und regionalen Vereinbarungen, Gesetzen und Standards in Einklang stehen, und Nachweise, dass diese von der Regierung und anderen zuständigen Behörden eingehalten werden.

Die Meinungsfreiheit ist in Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG garantiert und zwar sowohl in Wort, Schrift als auch in Bildern. Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG schützt außerdem die Presse-, Berichterstattungs- und Rundfunkfreiheit. Die Meinungsfreiheit gilt nicht nur für Deutsche, sondern auch für ausländische Staatsangehörige. Es handelt sich bei der Meinungsäußerungsfreiheit also um ein sogenanntes Jedermanngrundrecht.1 Der Schutz des Art. 5 GG genügt dem Schutzumfang, den internationale und regionale völkerrechtliche Verträge zum Schutz von Menschenrechten vorsehen.

Rassistische Hetze oder Antisemitismus sind strafbar. Es ist auch verboten, Ideen des Nationalsozialismus zu verbreiten, den Holocaust zu leugnen oder die Ideologie des Nationalsozialismus zu verherrlichen.

Das Recht auf freie Meinungsäußerung erfüllt zwei Funktionen: In erster Linie ist es ein Abwehrrecht, d.h. es schützt die Menschen in einer subjektiven Funktion vor dem Staat (status negativus). Außerdem geht aus dem Grundrecht auf Meinungsfreiheit auch ein Recht auf Teilhabe als Gewährleistungspflicht des Staates (status positivus) hervor. Der Meinungsäußerungsfreiheit wohnt aber auch eine objektive Funktion inne. Letztere führt zu einem Einfluss auf das Zivilrecht, das im Lichte der Meinungsfreiheit zu interpretieren ist. Daher besteht auch ein indirekter horizontaler Effekt des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung. Das Recht auf freie Meinungsäußerung umfasst in erster Linie das Recht zur Meinungsäußerung. Dabei geht der Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG von einem weiten Begriff von Meinungen aus. Als Meinungen werden Werturteile als eine „durch das Element der Stellungnahme und des Dafürhaltens geprägte Äußerung“ verstanden.2 Neben der positiven Dimension besteht auch eine negative Meinungsfreiheit, die das Recht auf Verweigerung der Zuschreibung einer Meinung umfasst.3

Im Unterschied zu Meinungen sind Tatsachenbehauptungen einem Wahrheitsbeweis zugänglich. Damit liegt die Rechtslage bei Tatsachenbehauptungen anders. Rechtsmissbräuchliche Kritik muss sich dem Schutz der Ehre unterordnen, wenn sie hauptsächlich dem Zweck dient, Menschen zu verleumden, anstatt sich objektiv mit dem diskutierten Thema zu befassen.4 Der Wortlaut des Art. 5 Abs. 1 S. 3 GG lautet: „Eine Zensur findet nicht statt.“5 Daraus ergibt sich jedoch kein unabhängiges Freiheitsrecht. Vielmehr ist die Formulierung als sogenannte Schranken-Schranke zu verstehen, also als eine Einschränkung möglicher Beschränkungen der Meinungsfreiheit. Das Zensurverbot setzt regelmäßig Impulse für die Weiterentwicklung der Dogmatik zur Meinungsäußerungsfreiheit.6

Die EMRK und die Europäische Grundrechtecharta kennen keine dem Art. 5 Abs. 1 S. 3 GG gleichlautende Vorschrift. Das Grundrecht auf Meinungsfreiheit findet seine Schranke in der Bestimmung des Art. 5 Abs. 2 GG. Anders als die Bestimmungen zum Schutz der Meinungsäußerungsfreiheit in der EMRK oder dem UN-Zivilpakt nennt das Grundgesetz ausdrücklich drei Gruppen von Gesetzen, die die Meinungsfreiheit einschränken können. Art. 5 Abs. 2 GG sieht dafür die allgemeinen Gesetze, die Gesetze zum Schutz der Jugend und Bestimmungen zum Schutz der persönlichen Ehre vor.7

Nach Art. 1 Abs. 3 GG sind sowohl die Exekutive, die Legislative als auch die Judikative an Grundrechte und damit auch an Art. 5 GG gebunden. Jeder Akt der öffentlichen Gewalt muss sich an dem Grundrechtekatalog der Art. 1-19 GG messen lassen.8

Die Achtung von Menschenrechten wird von unterschiedlichen Stellen in Legislative und Exekutive, aber auch durch unabhängige Organisationen überwacht und Verstöße werden dokumentiert. Die beauftragte Person der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und Humanitäre Hilfe hat ihren Sitz im Auswärtigen Amt. Sie beobachtet die internationalen Entwicklungen, koordiniert die Menschenrechtsarbeit mit anderen staatlichen Stellen und berät das Auswärtige Amt in menschenrechtlichen Fragstellungen. Der Deutsche Bundestag begleitet und überwacht die deutsche Menschenrechtspolitik seit 1998 durch seinen Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe. Im Jahr 2000 wurde in Berlin das Deutsche Institut für Menschenrechte, eine staatlich finanzierte, aber unabhängige Einrichtung, gegründet. Als nationale Menschenrechtsinstitution im Sinne der Pariser Prinzipien der Vereinten Nationen soll es zur Förderung und zum Schutz der Menschenrechte durch Deutschland im In- und Ausland beitragen.

 



Dürig/Maunz (2013), GG Art. 5 Abs. 1, Abs. 2 Rn. 23.

Dürig/Maunz (2013), GG Art. 5 Abs. 1, Abs. 2 Rn. 47; Bundesverfassungsgericht (1958); Bundesverfassungsgericht (1982); Bundesverfassungsgericht (1994); Bundesverfassungsgericht (2009).

Ebd., GG Art. 5 Abs. 1, Abs. 2 Rn. 48.

Bundesverfassungsgericht (1995).

Artikel 5 Abs. 1, S. 3 GG.

Dürig/Maunz (2013), GG Art. 5 Abs. 1, Abs. 2 Rn. 115.

Ebd., Rn. 114.

Ebd., Rn. 107.



B.4

Unter welchen Bedingungen macht das Gesetz Plattformen und andere Anbieter von Online-Diensten für Inhalte haftbar, die von den Benutzerinnen und Benutzern auf diesen veröffentlicht oder geteilt werden?

Indikator 25: Der rechtliche Rahmen für die Vermittlerhaftung und die Regulierung von Inhalten steht im Einklang mit internationalen und regionalen Vereinbarungen, Gesetzen und Standards sowie dem Nachweis der Verhältnismäßigkeit der Umsetzung.

Auf internationaler Ebene gibt es (noch) keine spezifischen Vereinbarungen zur Providerhaftung. Der Digital Services Act der EU wird hier Leitplanken aufstellen. Die Providerhaftung in Deutschland steht im Einklang mit den allgemeinen Prinzipien, die den internationalen Regelwerken zum Schutz von Menschenrechten zu entnehmen sind.1 Sie stimmt auch im Wesentlichen überein mit den Empfehlungen des Europarates zur Rolle und Verantwortung von Staaten und Internet-Intermediären von 2018.2

Hostprovider können nach dem Telemediengesetz für illegale Inhalte haftbar gemacht werden.3 Das Gesetz unterscheidet zwischen der vollen Haftung für eigene Inhalte und der beschränkten Störerhaftung für Service-Provider und Host-Provider für fremde Inhalte.4 Zusätzliche Sperr- und Filterpflichten für Host-Provider hat der Bundesgerichtshof im Fall „Alone in the Dark“ im Jahr 2012 präzisiert.5 In diesem Fall verklagte der Spieleverlag Atari den File-Hosting-Dienst Rapidshare wegen Urheberrechtsverletzungen beim Titel ”Alone in the Dark”. Das Gericht machte Rapidshare zwar nicht für die unmittelbare Verletzung haftbar, stellte aber fest, dass Rapidshare seine Überwachungspflichten als Teil seiner Sorgfaltspflichten vernachlässigt habe.6 In einer späteren Entscheidung begründete und erweiterte der Bundesgerichtshof die Pflichten der Hosting-Anbieter weiter. Host-Provider sind demnach unter bestimmten Umständen verpflichtet, ihre eigenen Server zu überwachen und nach urheberrechtlich geschützten Inhalten zu suchen, sobald sie über eine mögliche Verletzung informiert wurden.

Im Jahr 2015 entschied der Bundesgerichtshof, dass die Sperrung einer Website als ultima ratio angeordnet werden kann, wenn dies für einen Urheberrechtsinhaber das einzige Mittel ist, um eine Rechtsverletzung auf dieser Website wirksam zu beenden.7 Damit präzisierte es die Voraussetzungen für die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme. Denn in derart gelagerten Fällen hat der Inhaber des Urheberrechts nach Prüfung aller relevanten Umstände einen Anspruch gegenüber dem Internet Service Provider, die betroffene Website zu sperren.

Durch das Dritte Gesetz zur Änderung des Telemediengesetzes vom September 2017 wurde die gesetzliche Haftung für Anbieter von offenen drahtlosen Netzwerken, so genannten Hotspots, weitgehend abgeschafft. Jahrelang blieb die Zahl der kostenlosen, öffentlichen Wi-Fi-Hotspots in Deutschland gering, da die Anbietenden mögliche negative rechtliche Konsequenzen befürchteten, wenn ihre Netze für illegale Aktivitäten genutzt würden. Während das neue Gesetz von Fachleuten allgemein positiv bewertet wurde, stieß es auch auf Kritik, da es den Inhabern von Urheberrechten erlauben könnte, Hotspot-Anbieter zur Sperrung bestimmter Websites oder Inhalte zu zwingen, die gegen das Urheberrecht oder andere Gesetze verstoßen.8

Spezifisch mit Blick auf die Verantwortung von Intermediären wurde 2017 das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) erlassen. Dieses verpflichtet Social-Media-Plattformen mit mehr als zwei Millionen registrierten Nutzenden in Deutschland, gemeldete Inhalte zu untersuchen und zu löschen. Wenn der markierte Inhalt offensichtlich illegal ist, muss die Plattform ihn innerhalb von 24 Stunden sperren oder entfernen; wenn er anderweitig illegal ist, muss der Inhalt innerhalb von sieben Tagen gesperrt oder entfernt werden. Das NetzDG legt dabei den Rechtswidrigkeitsbegriff von 22 Straftatbeständen zugrunde.9 Nach der Entscheidung, gemeldete Inhalte zu löschen oder zu erhalten, muss das Unternehmen sowohl die Beschwerdeführenden als auch die Nutzenden informieren. Bei einer Verletzung drohen Geldstrafen von bis zu 50 Millionen Euro.10 Vor Inkrafttreten des NetzDG sah es sich bereits scharfer Kritik ausgesetzt11 und wird auch weiterhin kontrovers diskutiert.

Durch die 2021 kommenden Novellen des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes wird u.a. ein Wiederherstellungsrecht eingeführt; allerdings wird die vorgesehene Übermittlungspflicht von Plattformen von potenziell rechtswidrigen Inhalten und identifizierenden Daten der Publizierenden an eine beim Bundeskriminalamt geführte Datenbank für problematisch gehalten. Positiv zu bewerten ist die geplante Einführung eines verbesserten Datenzugangs für die Wissenschaft.

 



Vgl. Kettemann, Matthias C. (2019), S. 67.

Europarat (2018).

Bundesgerichtshof (2015a); Bundesgerichtshof (2015b).

Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Bundesamt für Justiz (2007).

Bundesgerichtshof (2012).

Ebd.

Bundesgerichtshof (2015a); Bundesgerichtshof (2015b).

Dachwitz, I. (30.06.2017).

§ 86 („Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen“), § 86a („Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen“), § 89a („Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat“), § 91 („Anleitung zur Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat“), § 100a („Landesverräterische Fälschung“), § 111 („Öffentliche Aufforderung zu Straftaten“), § 126 („Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten“), § 129 („Bildung krimineller Vereinigungen“), § 129a („Bildung terroristischer Vereinigungen“), § 129b („Kriminelle und terroristische Vereinigungen im Ausland“), § 130 („Volksverhetzung“), § 131 („Gewaltdarstellung“), § 140 („Belohnung und Billigung von Straftaten“), § 166 („Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen“), § 184b („Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornographischer Schriften“) in Verbindung mit § 184d („Zugänglichmachen pornographischer Inhalte mittels Rundfunk oder Telemedien“), §§ 185 bis 187 („Beleidigung“, „Üble Nachrede“, „Verleumdung“), § 201a („Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen“), § 241 („Bedrohung“) oder § 269 („Fälschung beweiserheblicher Daten“).

Heldt, A.; Kettemann, M. C.; Schulz, W. (2019), S. 23.

Ebd., S. 22 f. und S. 24 ff.